Uwe Schulz

Tröglitz und Zivilcourage

Deutschland diskutiert angesichts der Ereignisse in Tröglitz aufs Neue über Fremdenhass
und Zivilcourage. Eine der Stimmen, auf die ich in solchem Kontext höre, ist die meines
Lieblingstheologen Dietrich Bonhoeffer.

Dietrich Bonhoeffer
Über Civilcourage
Die Deutschen fangen erst heute an zu entdecken,
was freie Verantwortung heißt. Sie beruht auf einem Gott,
der das freie Glaubenswagnis verantwortlicher Tat fordert
und der dem, der darüber zum Sünder wird,
Vergebung und Trost zuspricht.
aus: Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung

Zu seinem 70. Todestag am 9. April mein Beitrag für NDR info im Blickpunkt Diesseits
(oder als Quickie die Kurzversion für den WDR)
.

NDR info

Flossenbürg im Oberpfälzer Wald – keine 10 Kilometer vor der Grenze zu Tschechien.
Die Gedenkstätte in den Resten des Konzentrationslagers.
Im Hof des ehemaligen Arrestbaus eine schlichte Granittafel, mannshoch –
sieben Namen unter einem Kreuz: Wilhelm Canaris ist darunter,
Admiral aus dem Oberkommando der Wehrmacht. Generalmajor Hans Oster, sein Stabschef.
Am Anfang der Liste: .
Er hat im Ausland um Vertrauen geworben für die Männer, die Hitler töten wollten.
Er hat die Verschwörer gedeckt – auch als Häftling in Berlin.
Er wollte den Frieden wiedererlangen.
Mit Taten. Am 9. April 1945 werden die Verschwörer hingerichtet.

Nach dem gescheiterten Putsch am 20. Juli hat er ja am Tag drauf einen Brief geschrieben,
und in diesem Brief steht ein ganz erstaunlicher Satz, den ich mir erst später habe
richtig klar machen können. Er gibt da eine Rechenschaft über sein Leben, was es gewesen ist …
immer im Gedanken: ‚Jetzt ist Schluss.‘ Und dann steht: ‚Und so bin ich jetzt froh und dankbar
für das Vergangene und für das Gegenwärtige.‘ Und dieses ‚froh und dankbar für das Gegenwärtige’
am 21. Juli zu schreiben, das heißt doch: auch der gescheiterte Putsch, auch das Ende,
zu dem wir verdammt sind, bedeutet eine Befreiung von den langen quälenden Jahren
des Komplizentums mit dem Mord der Nazis an den Juden.
Bonhoeffers Biograf Eberhard Bethge

Dietrich Bonhoeffers Biograf Eberhard Bethge und seine Frau Renate haben rund um die Welt
erzählt vom Freund, vom Onkel, zum Beispiel auch in den USA:
»Eine Studentin fragt meine Frau: ‚Na, wann haben Sie denn entdeckt,
dass ihr Onkel so etwas Besonderes ist, als Sie Kind waren oder später?‘
Und meine Frau sagte: ‚Never!«

Heute gilt Bonhoeffer als Märtyrer

Die evangelische Kirche tut sich nach dem Krieg schwer, Bonhoeffer als Mitverschwörer des 20. Juli
zu akzeptieren. Heute ehrt sie ihn als Märtyrer. Unbequem ist heute eher der fromme Bonhoeffer,
wie ihn der Leipziger Theologe Peter Zimmerling versteht:

Das Profil des Christseins, hat Bonhoeffer schon unglaublich betont.
Und das, denke ich, müssen wir in einer pluralistischen Gesellschaft
in Zukunft auch viel stärker wieder lernen.
Denn in einem pluralistischen Zusammenhang wird ja überhaupt nur wahrgenommen,
was deutliche Konturen auch hat.
Peter Zimmerling, ev. Theologe

In seinen Schriften hat Bonhoeffer Provokatives hinterlassen. Gedanken etwa über die verfasste Kirche.
Dieter Zimmerling: »Er sagt ja: Die Kirche soll all ihr Eigentum den Armen geben.
Das ist doch eine Provokation – und das sollten wir hören und nicht einfach so vorschnell abtun
als Hirngespinst eines frommen Phantasten.«
Bonhoeffer schreibt im Sommer 1944 aus dem Gefängnis an seinen Freund:

Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.
Und sie muss den Menschen aller Berufe sagen, was ein Leben mit Christus ist.
Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer war nach heutigen Maßstäben hochbegabt.
Theologieprofessor mit 24, am Klavier ein Genuss, eine natürliche Autorität
mit klugen Gedanken über Gott und die Welt. Und mit einem herzlichen Verhältnis zu Gott,
das er auch seine Studenten lehrt an der Hochschule.
Die einstige Studentin Inge Karding erzählt. »Das hat er uns nachher auch immer wieder
ausdrücklich gesagt: ‚Wenn ihr in der Bibel liest, dann müsst ihr immer denken;
jetzt und hier redet Gott mit mir.’«

Billige Gnade, teure Gnade

Als die Welt nationaltümelt, hat er einen Franzosen zum Freund.
Und in New York sogar einen, der damals noch „Neger“ heißt.
Der bringt Gospel ins Leben, wo bisher nur Bach war.
Vielleicht wäre sogar indische Musik dazugekommen, denn Bonhoeffer hatte eine Einladung
von Mahatma Gandhi, aber die Zeit hat nicht mehr gereicht.
Und Dietrich Bonhoeffer sucht eine neue Rede von Christus.
Eine ohne fromme Floskeln, aber auch ohne unverbindliches Gequatsche.
So schreibt er:

Billige Gnade ist Gnade ohne Kreuz. Gnade ohne den lebendigen menschgewordenen
Jesus Christus. Teure Gnade ist das Evangelium. Sie kostete den Menschen das Leben.
Teuer ist die Gnade vor allem deswegen, weil sie Gott das Leben seines Sohnes gekostet hat
und uns nicht billig sein kann, was Gott teuer ist.
Dietrich Bonhoeffer

Bonhoeffer selbst hat vermeintliche Widersprüche ausgehalten, und sein Freund Eberhard Bethge
hat sie uns erklärt, bis zu seinen eigenen Tod vor 15 Jahren.
Am Beispiel etwa eines Gesprächs zwischen Bonhoeffer und einem Mitverschwörer des 20. Juli,
Hans von Dohnanyi, Jurist im Amt Ausland/Abwehr:

Bonhoeffer‚ 1941 etwa, abends sitzt er bei Dohnanyi,
und Dohnanyi fragt ihn: ‚Da steht doch in der Bergpredigt: ‚Wer das Schwert nimmt,
wird durchs Schwert umkommen.‘ Wie ist denn das mit uns – wir nehmen das Schwert jetzt?’
Und Dietrichs Antwort heißt: ‚Ja, das Wort gilt:
‚Wer das Schwert nimmt, wird durchs Schwert umkommen.’
Aber genau der Menschen, die dieses Wort auf sich nehmen, der bedarf es jetzt.
Eberhard Bethge

Wer sich intensiver mit Dietrich Bonhoeffer befassen möchte,
dessen Hinweise mir gerade in Zeiten von Fremdenfeindlichkeit
und ›Pegida‹ eine wichtige Orientierung sind, findet Interviews zu
seiner Aktualität in meinem Buch: Was wären wir ohne Dietrich Bonhoeffer?

Darin zitiere ich u. a. den Musiker Siegfried Fietz, der Bonhoeffer-Texte vertont hat.

 

Buchtitel

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